Metatheorie Der Veränderung (MdV) - My Consultancy

Praxisfall zum Leitprozess Zielbearbeitung:
Ohne Interesse für Interessen keine Problemlösung!

von Martina Rühm

Anliegen des Kunden

Ein Bereich eines interna-onalen Unternehmens soll umstrukturiert werden. Es ist geplant, Aufgaben aus Deutschland ins Ausland umzuschichten. Der Bereichsleiter will hierzu einen Strategieworkshop mit seinen Abteilungsleitern durchführen. Ziel dieses Workshops ist, der übergeordneten Managementebene konkrete Lösungen für die Frage bieten zu können, welche Umfänge ins Ausland verlagert werden können. Wichtig ist dem Bereichsleiter, dass die Diskussion möglichst sachlich und offen geführt wird und auch Zukunftsoptionen mit in die Betrachtung einfließen.

Praxis

Auftragsklärung

Im Gespräch mit dem Bereichsleiter wird deutlich, dass die Abteilungen aufgrund der Aufbauorganisation des Bereiches unterschiedlich stark von einer Aufgabenverlagerung betroffen sein werden. Meine Empfehlung war daher, dass ich zunächst in Einzelgesprächen mit den Abteilungsleitern deren persönliche Fragestellungen und Interessenslagen zu den geplanten Änderungen evaluiere. Welche Chancen und Risiken werden gesehen, und welche Auswirkungen werden – fachlich (Problemorientierung) wie auch auf die persönliche Situation (Interessenorientierung) bezogen – gesehen?

Beratungsverlauf

Die Interessenslage auf Seiten der Abteilungsleiter stellte sich schnell und wenig überraschend als inhomogen und vielfältig dar. So entstand schon gleich am Anfang die besonders knifflige Situation bei einer problemlösungsorientierten Auftragsfokussierung verdeckte und emotional besetzte heterogene Interessen im
Hintergrund wirken zu sehen. Je nach individueller Betroffenheit fokussierten die Befragten nämlich auf sehr unterschiedliche Aspekte und stellten individuelle strategische, inhaltliche oder persönliche Fragestellungen in den Vordergrund. Einigkeit bestand imWesentlichen nur darin, dass die Verlagerung hochwertiger Aufgaben sofort hohe Befürchtungen bzgl. einer Schwächung des deutschen Standortes befördert, solange an deren Stelle keine neuen Zukunftsthemen in Deutschland allokiert werden würden. Insofern kam der Frage, welche ZukunJsthemen in den deutschen Einheiten verstärkt bearbeitet oder neu hinzugenommen werden könnten, auch von Seiten der Abteilungsleiter eine hohe Bedeutung zu.

Da die Entscheidungen die Beteiligten auf sehr unterschiedliche Weisen betreffen würden, empfahl ich dem Bereichsleiter, sowohl die Inhalte als auch die Bewertungskriterien für die zu erarbeitenden Szenarios in dem Workshop so auszugestalten, dass den Fragestellungen, die aus den Abteilungsleiterinteressen gespeist wurden, von Beginn an Raum gegeben werden konnten. Sonst bestehe das Risiko, dass individuelle Betroffenheit und Interessen unausgesprochen blieben und die Diskussion und Lösungsfindung beeinträchtigen könnten. Im Vorfeld des Strategiemeetings wurden neben den sachlichen Anforderungen (welche Daten/ Zahlen/ Fakten sind wie auOereitet mitzubringen?) seitens der Beraterin deswegen auch Fragen zur Eigenreflexion an Bereichsleiter und Abteilungsleiter adressiert, um die individuellen Interessen bewusster werden zu lassen:

Mit welcher Erwartung und welcher Haltung gehe ich in dieses Meeting? Welche Lösungsoptionen befürworte oder lehne ich ggf. jetzt bereits ab? Wie erkläre ich mir das? Welchen Spielraum habe ich für Kompromisse? Wo sind rote Linien? Wie viel Risiko möchte ich in der Diskussion eingehen? Wer denkt wie ich? Wen halte ich für argumentativ schwer erreichbar? Wo lehne ich gute Ideen für die Gesamtorganisation ab, (nur) weil sie unserer Abteilung eher schaden würden?

Leitprozess Zielbearbeitung

Das Bearbeiten von Zielen stellt jedes Team im Hinblick auf seine Problem- und Interessenslagen vor Entscheidungen. Die Zielbearbeitung ist daher einer der sechs Leitprozesse der Teamdynamik. Die Alternative, die zu bearbeiten ist, lautet: „Löst man Probleme oder bearbeitet man Interessen?“.

Jedes Problem in Organisationen ist mit konfliktären Interessen behaftet – und es gibt keine Interessengegensätze, die nicht durch bestimmte Problemlagen immer wieder neu entfacht werden. Dadurch muss jedes Team entscheiden, ob es sich darauf fokussiert, eine fachlich gute Lösung zu erarbeiten. Damit geht es gleichzeitig das Risiko ein, am Ende etwas zu haben, was so viele Interessen verletzt, dass es nicht gewollt wird oder nicht durchsetzbar ist. Alternativ kann es darauf setzen, alle ins Boot zu holen und nach sinnvollen Kompromissen zu suchen (z.B. mit anderen Teams), um dann festzustellen, dass dieser Kompromiss das Problem nicht löst, sondern ständig neu entzündet. Der Umgang mit diesem Leitprozess generiert üblicherweise Konflikte, die oft Anlass für Beratung sind. Auch hier ist es entscheidend (!), dass der Berater beide Seiten der Paradoxie im Blick hat.

Metatheorie der Veränderung

Das Ergebnis und die theoretische Einordnung zu diesem Artikel finden Sie im PDF, dass Sie sich hier herunterladen können:
Praxisfall zum Leitprozess Zielbearbeitung